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02.05.2012 13:03 Alter: 12 yrs
Von: Der Neue Tag

Totgesagte klagen länger

Falsche Krebsdiagnose: Weidener (62) macht sein Testament - Klinikum zahlt Schmerzensgeld


Weiden. (rns) ,,Weihnachten werden Sie nicht mehr erleben", soll ein Professor im Klinikum einem 62-jährigen gesagt haben. ,,Gehen Sie nach Hause, genießen Sie die Natur und den Gesang der Vögel." Nach der vernichtenden Diagnose im Klinikum November 2010 ging der Elektro-Diplom-Ingenieur tatsächlich heim. Er machte sein Testament. Er zeigte seiner Frau, wie im Winter der Gartenschlauch abmontiert wird und regelte andere wichtige Angelegenheiten. Die Ärzte hatten einen Klatzkin-IV-Tumor diagnostiziert, eine bösartige Sonderform des Gallengangkarzinoms, das sich häufig bildgebenden Verfahren entzieht. Daher auch die Diagnose - trotz negativem Ergebnis der Gewebeuntersuchung. Entzündung statt Tumor
Aufgrund der Symptome habe der ,,hochgradige Verdacht" auf den Krebs bestanden, sagten die behandelnden Professoren, der Oberarzt und der Assistenzarzt, die der Rentner nun auf Schmerzensgeld verklagte: wegen seiner erlittenen Todesangst. Denn zwei Wochen später hatten die Ärzte im Uniklinikum Regensburg festgestellt: Kein Krebs, nichts Schlimmes. Lediglich eine Gallenentzündung.
Etwas anderes, als dass der ,,dringende Verdacht" bestehe, habe man dem Patienten auch nie mitgeteilt, so die Beklagten vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts. Einer der Professoren berichtete, dass er in einem (Statt dass die Patienten froh sind, dass ihnen geholfen wurde, geht es ihnen letztendlich dann doch nur ums Geld) 40-minütigen Gespräch ,,viel Angst" bei dem Kranken gespürt habe. Er habe ihm mitgeteilt, dass die Überlebensrate nach einem halben Jahrzehnt nur fünf Prozent betrage, wenn er sich operieren ließe. Null Prozent, wenn nicht. Sein Eindruck: Der Patient habe ,,nicht richtig verstanden". Er bot ihm auch einen OP-Termin an. Der Mann lehnte ab, wünschte eine ,,konservative Behandlung". Als Vorbereitung für die Chemotherapie setzte man im Klinikum einen ,,Port", einen venösen Zugang im Halsbereich. Der verstopfte und geschwollene Gallengang war mit einem ,,Stent" versorgt worden. Diesen entfernten die Ärzte im Uniklinikum Regensburg jedoch schnell wieder. ,,Weil er unnötig ist, wenn Ihnen nichts fehlt", hätten diese gesagt, berichtete der Weidener. Mit Hilfe von Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze war er vor den Kadi gezogen und forderte 14.000 Euro Schmerzensgeld für die seelischen Leiden. 1.000 Euro hatte die Kliniken Nordoberpfalz AG für den unnötig gesetzten ,,Port" bereits bezahlt. ,,Hochgradiger Verdacht"
Wie die Richter Viktor Mihl, Sabine Nickl und Thomas Hys klar machten, gehe es nicht um die ,,objektive Fehldiagnose" - diese könne immer mal wieder vorkommen -, sondern darum, wie diese kommuniziert worden sei. Laut einem Professor waren von zwei ,,Tumormarkern" beide erhöht. Ein Assistenzarzt verteidigte sich: ,,Das lernt man in der Onkologie als erstes, dass man dem Patienten nie sagt: Null Chance." Der verantwortliche Oberarzt behauptete, die Diagnose sei nie als ,,definitiv", sondern nur als ,,hochgradiger Verdacht" mitgeteilt worden. Der ,,Port" sei nur für eine ,,eventuelle" Tumortherapie gesetzt worden. Dem stand die Aussage des Klägers und seiner Frau als Zeugin entgegen. Außerdem konnte dieser eine Arztbrief mit der fatalen Diagnose vorweisen. Nach einigem Hin und Her einigten sich die Parteien auf weitere 2.500 Euro, welche die Kliniken AG zu zahlen hat. Rechtsanwalt Carl Brünnig ging dabei über das von der Klinikumsleitung gesetzte Limit hinaus. Der Streitwert wurde auf 14.000 Euro festgesetzt, wobei die Beklagten ein Fünftel und die Rechtsschutzversicherung des Klägers vier Fünftel der Prozesskosten bezahlen müssen. ,,Ums Geld ging's mir gar nicht. Ich wusste von vorneherein, dass es da keine nennenswerte Summe gibt", sagte der geschädigte Diplom-Ingenieur aus Weiden. ,,Wenn einer der Herren zu mir gekommen wäre, sich entschuldigt hätte, gesagt hätte, dass es ihnen leid tue, sich geirrt zu haben, wäre die Sache vergessen gewesen." Immerhin habe er Todesängste und habe zwei Operationen erleiden müssen. ,,Man kann sich doch auch nicht alles gefallen lassen." Quelle: Der Neue Tag am 2.5.2012, Rubrik: Stadt Weiden