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21.09.2013 00:00 Alter: 11 yrs
Von: Dr. Burkhard Schulze

Verkehrssicherungspflicht im Krankenhaus und Pflegeheim

Private Unfallversicherung hilfreicher als ein Rechtsstreit vor Gericht - Schadensersatzansprüche im Einzelfall zu entscheiden


Man hört und liest immer wieder von Stürzen und Verletzungen vor allem älterer Patienten bei Rahmen von Krankenhausaufenthalten oder auch im Pflegeheim. Es stellt sich die Frage ob und inwieweit im Einzelfall diesen Patienten Schadensersatzansprüche zustehen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers. Die Rechtsprechung hat Fallgruppen herausgearbeitet, bei denen solche Ansprüche bejaht oder abgelehnt werden. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt dann vor, wenn sich ein sog. vollbeherrschbares Risiko verwirklicht, das ist z.B. ein Sturz des Patienten von einer Untersuchungsliege, der Sturz eines Patienten aus einem Rollstuhl, der nur zur Vorbereitung der Verbringung in eine andere Klinik verbracht wurde, einem Krankenstuhl oder einem Duschstuhl. Voraussetzung ist, dass eine insoweit konkret geschuldete Hilfeleistung unterlassen wurde. Geprüft werden muss, ob der Gesundheitszustand z.B. die Begleitung zur Toilette erfordert. Bei bekanntem "Altersschwindel" und postoperativ wird dies häufig der Fall sein. In einem psychiatrischen Krankenhaus ist besonderes Augenmerk auf die Selbstmordgefahr des Patienten zu richten. Hier ist zu fragen ob eine akute oder latent vorhandene Selbstmordgefahr für das medizinische Personal erkennbar war. Eine verstärkte Sicherungspflicht wird nur bei Anhaltspunkte für eine erhöhte akute oder konkrete Selbsttötungsgefahr verlangt, andernfalls wären die Sicherheitsanforderungen an das Personal mit zumutbarem Aufwand nicht zu bewältigen. Eine neuere Entwicklung verzeichnet die Rechtsprechung des BGH bei Stürzen in Alters- und Pflegeheimen. Hier hat das zum 01.01.2002 in Kraft getretene Heimgesetz festgelegt, dass auch bei einer stationären Heimunterbringung die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen sind. Ihnen soll ungeachtet ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ein so würdevolles und eigenständiges Leben wie möglich verbleiben. Deshalb ist jeweils konkret abzuwägen die Menschenwürde und das Recht auf Fortbewegungsfreiheit einerseits sowie Anspruch auf Schutz seines Lebens und seiner körperlichen Unversehrtheit andererseits. Der bewusstseinsklage Patient kann hier mitbestimmen und z.B. die Anbringung eines Bettgitters ausdrücklich ablehnen. Tendenziell hat der Bundesgerichtshof die Obhutspflichten eines Heimträgers begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Für freiheitsentziehende Maßnahmen (Bettgitter, Zimmer abschließen) ist ohnehin eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Entscheidend bei all diesen Maßnahmen ist immer die ex ante-Betrachtung, (weil man hinterher immer klüger ist). Bevor also Ansprüche geltend gemacht werden, ist die physische und psychische Gesamtsituation des Mandanten sorgfältig zu eruieren, und zu fragen ob unter diesen Umständen konkrete Vorsichtsmaßnahmen des Krankenhauses oder Pflegeheims verletzt wurden. Wie auch sonst im Leben ist bei Verletzungen im Alltag die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos deutlich abzugrenzen von der vom Geschädigten zu beweisenden Verletzung der Obhutspflichten. Oftmals ist eine private Unfallversicherung hilfreicher als ein Rechtsstreit vor Gericht. Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze   Quelle: Der Neue Tag vom 21.09.13; Rubrik: Recht im Alltag