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< Arzt erwischt den falschen Fuß
20.09.2014 00:00 Alter: 11 yrs
Von: Dr. Burkhard Schulze

Muss sich der Arzt selbst belasten?

Selbstbelastungsfreiheit im Strafverfahren wahrheitsgemäße Angaben gegenüber der Haftpflichtversicherung?


Unterläuft dem Arzt ein Behandlungsfehler, stellt sich die Frage ob der Arzt verpflichtet ist dies dem Patienten gegenüber mitzuteilen.   Ausgangspunkt ist, dass im Grundsatz niemand verpflichtet ist sich selbst zu belasten und gegen sich selbst Zeugnis abzulegen.   Verschiedene Konstellationen sind zu unterscheiden: Kommt es wegen eines behaupteten Arztfehlers zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, hat der Arzt die Stellung eines Beschuldigten und muss grundsätzlich keine Angaben machen. Er kommt hier in den Konflikt mit seiner Haftpflichtversicherung. Denn dieser gegenüber hat er die Pflicht zu umfassenden Mitteilungen des Sachverhalts, auch wenn die rechtliche Würdigung und Beurteilung einer Entschädigungsverpflichtung Sache der Versicherung ist.   Die Rechtsprechung löst solche Fälle über die Frage der "Zumutbarkeit" sich in einer solchen Situation selbst mit wahrheitsgemäßen Angaben belasten zu müssen. Die Versicherung ihrerseits unterliegt auch gegenüber der Staatsanwaltschaft dem Versicherungsgeheimnis, so dass hier unterschiedliche Positionen durchaus eingenommen werden können.   Heftig umstritten ist die Frage ob der Arzt, wie z.B. Rechtsanwälte oder Steuerberater eine Pflicht zur unaufgeforderten Offenbarung von Fehlern trifft.   Im Rahmen einer Interessenabwägung muss aber der Arzt dem Patienten unaufgefordert über eine eingetretene Komplikation aufklären, wenn der Behandlungsfehler eine weitergehende Behandlung notwendig macht, die der Patient nur bei Kenntnis des Fehlers beginnen kann. Hier ist die Fürsorgepflicht des Arztes Grundlage für eine unaufgeforderte Offenbarung von Fehlern. Bewertet er in einem solchen Konfliktfall die eigenen Interessen höher, kommt, wenn der Patient dadurch Schaden erleidet, sogar eine vorsätzliche Körperverletzung durch Unterlassen (nach vorangegangenem Tun) in Betracht.   Häufig löst sich aber für den Arzt das Spannungsverhältnis zwischen zivilrechtlicher Offenbarungspflicht und strafprozessual zulässigem Schweigen dadurch, dass der Arzt im Ermittlungsverfahren Angaben macht, um sich selbst zu entlasten. Es wäre geradezu ein "anwaltlicher Kunstfehler" dem Arzt nicht zu raten Angaben zu machen, da wie in kaum einem anderen Strafverfahren sich mit einer qualifizierten Einlassung so viel erreichen lässt wie in Arztstrafsachen.   Deswegen ist gerade in Arztstrafsachen die schriftliche Einlassung als Kernstück effektiver Verteidigung bezeichnet worden.   Die Grenze der Selbstbelastungsfreiheit wird aber jedenfalls überschritten, wenn die ärztliche Dokumentation nicht vollständig ist oder, was auch vorkommt, die entsprechenden Dokumente verschwinden oder gefälscht werden. Zurecht hat der BGH in Jahrzehnte langer Rechtsprechung in einem solchen Fall des Dokumentationsmangels die Beweislast umgekehrt, mit der Folge, dass vermutet wird, dass der Arzt einen Fehler begangen hat und dieser sich dann entlasten müsste, was in der Regel nicht gelingt.   Im übrigen steht nicht nur der Arzt manchmal in einer solchen Konfliktsituation, sondern auch jeder Bürger, der gegenüber seiner Versicherung Angaben machen muss, die ihm andernorts z.B. im Strafrecht nachteilig sind. Auch hier muss entschieden werden ob er sich selbst belastet oder wegen falscher oder fehlender Angaben sogar den Versicherungsschutz verliert.   Anwaltliche Beratung ist erforderlich, sie kann Wege aufzeigen, den Konflikt aber manchmal auch nicht lösen.   Rechtsanwalt Dr. Schulze   Quelle: Der Neue Tag vom 20.09.14; Rubrik: Recht im Alltag