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20.08.2010 00:00 Alter: 14 yrs
Von: Der Neue Tag

Bescheide auf wackeligen Bein

Juristisches Tauziehen um Großbauprojekt in der Tannenbergstraße - „Unglückliche Salami-Taktik"


Weiden. (wd) Da ist und bleibt „der Wurm drin". Und deshalb haben auf der Baustelle an der Tannenbergstraße die Juristen fast mehr zu tun als die Handwerker. Am 1. September wird sogar ein  Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes aus München nach Weiden kommen, um „nach dem Rechten" zu sehen. Danach gibt´s die Erörterung im Rathaus. Die Situation ist mehr als verfahren. Zu einem guten Teil „daran beteiligt" sei die Stadt, meint Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze, der für seine Mandanten im Mehrfamilienhaus auf dem Nachbargrundstück darauf achtet, dass deren Interessen und Rechte nicht verletzt werden. Mit einer Baugenehmigung, die inzwischen zwei Teilbaugenehmigungen ergänzen, habe die Stadt dem Bauträger zwar helfen wollen, ihm aber letzten Endes keinen Gefallen getan, betont der versierte Jurist, der auch mit einem Normenkontrollverfahren gegen den geänderten Bebauungsplan Wiesenstraße vorgeht. Es fehle nach wie vor eine akzeptable Gesamtlösung für das Großprojekt mit 30 Wohnungen. Nachbarn „abgeriegelt" Vor einem Jahr genehmigte die Stadt Weiden den Neubau einer aus drei Gebäuden bestehenden „Hausgruppe", die unmittelbar an das Anwesen Tannenbergstraße 16a anschließt. Das Problem: Ohne Abstandsfläche wird durch den „Versatz" den Bewohnern im Nordwesten eine geschlossene, 4,80 Meter breite und über 14 Meter hohe Wand vor die Nase gesetzt. Sie werden „eingemauert, abgeriegelt". In Häusergruppen entfällt naturgemäß die Abstandsfläche. Ein „Versatz" oder „Rücksprung" ist nur in wesentlich geringerem Maße zur Fassaden-Auflockerung  möglich. Dennoch genehmigte die Stadt das Projekt. Die Nachbarn klagten dagegen und erreichten - beim Verwaltungsgericht erfolglos geblieben - mit ihrer Beschwerde vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Genehmigung wieder hergestellt wurde. Der VGH bejahte eine Rechtsverletzung. Nach diesen juristischen Scharmützeln fehlte dem Projekt, das über das Erdgeschoss gewachsen war, der behördliche Segen. Die Folge wäre ein Baustopp bis zur endgültigen Entscheidung über die Klage, die noch aussteht. Doch die Stadt fand ein vermeintliches Schlupfloch. Sie „filetierte", so der Vorwurf von Dr. Schulze, den ursprünglichen Bescheid und erteilte für die beiden „problemlosen" Gebäude zwei und drei eine Teilbaugenehmigung. „Sie hat es versäumt, auf eine Gesamtlösung zu drängen." „Ohne Einbeziehung von Haus ein kann keine positive Prognose des Gesamtbauvorhabens gestellt werden", betont der Anwalt in seiner weiteren Klage zum Verwaltungsgericht. Die Stadt versuche „im bewussten und gewollten Zusammenwirken" mit dem Bauträger durch die Teilbaugenehmigung die „Gesamtkörperproblematik auszuklammern". Weil aber eine Teilbaugenehmigung stets feststelle, dass das gesamte Vorhaben grundsätzlich genehmigt werden kann, führe sie hier zu einer unmittelbaren Rechtsverletzung. „Scheibchenweise" Beim Verwaltungsgericht hatte Dr. Schulze zunächst keinen Erfolg. Bei der Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sieht er gute Chancen im endlosen Kampf gegen die „unglückliche Salami-Taktik" der Stadt. Denn als weiteres „Scheibchen" erteilte Weiden am 2. Juli auch dem Haus eins, das unmittelbar ans Gebäude der Kläger angebaut wird, eine Teilbaugenehmigung. Der „Versatz" der Nordwand ist nun von 4,80 Meter auf 2,94 Meter reduziert und bleibe damit weit von den Vorgaben einer genehmigungsfähigen Fassaden-Auflockerung entfernt. Dr. Schulze behielt Recht: Das Verwaltungsgericht stellt am 16. August die aufschiebende Wirkung der Klage her. Die Baugenehmigung ist damit „ausgesetzt". Das Gericht deutete in der vergangenen Woche an, dass die Klage gegen die Teilbaugenehmigung vermutlich erfolgreich sein werde. Nun stehen Bauträger und die Stadt vor offenbar unlösbaren Problemen.
Quelle: Der Neue Tag vom 20.08.2010, Rubrik: Stadt Weiden