Aktuelle Pressemeldung
< Arzt erwischt den falschen Fuß
Nach Presseveröffentlichungen über Kindesmisshandlungen werden in der Öffentlichkeit promt Fragen nach dem Versagen der Aufsicht über die Eltern durch Jugendämter und Gerichte laut. Tatsächlich ist der Staat im Rahmen seines Wächteramts verpflichtet und berechtigt Eingriffe in die Personen- und Vermögenssorge der Eltern vorzunehmen, wenn dies zum Schutz des Kindes erforderlich ist. Allerdings hat der Gesetzgeber hierfür hohe Hürden aufgebaut. Sind Kindeswohlbeeinträchtigungen zu besorgen stellt sich zunächst die Frage, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf nur einen Elternteil eine geeignete Gegenmaßnahme darstellt - § 1671 BGB - oder weitergehende gerichtliche Maßnahmen erforderlich sind, die über die Jugendämter bei Gericht zu beantragen sind. Bis zum Entzug der elterlichen Sorge ist es allerdings häufig ein weiter Weg. Nach § 1666 Abs. 3 BGB kann das Gericht anordnen, dass öffentliche Hilfen in Anspruch genommen werden, die Schulpflicht eingehalten wird oder auch einen Elternteil vorübergehend vom Umgang mit dem Kind fern zu halten, Kontaktverbote erlassen und Erklärungen für den Inhaber der elterlichen Sorge abzugeben, also z. B. die Einwilligung in eine medizinische Behandlung oder den Besuch einer bestimmten Schule. Erst wenn all diese Maßnahmen nicht mehr ausreichend erscheinen kommt die teilweise oder als letztes Mittel vollständige Entziehung der elterlichen Sorge in Betracht. Diese Maßnahmen sind, da sie als Grundrechtseingriffe gelten, auch nachdem sie getroffen sind, laufend darauf hin zu überprüfen, ob sie (noch) notwendig sind. Im Mittelpunkt steht hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. Das Bundesverfassungsgericht greift hier immer wieder mit wegweisenden Entscheidungen ein, insbesondere bei Fremdunterbringung des Kindes. Die Familiengerichte greifen hierbei, wozu sie auch verpflichtet sind, auf Stellungnahmen und Empfehlungen der Jugendämter oder Kinderpsychologen und Ärzten zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang aber erneut entschieden, dass die bloße Bezugnahme auf vage und spekulative Einschätzungen eines Sachverständigen zum psychischen Gesundheitszustands der Mutter hierfür nicht genügen und konkret darzulegen ist, dass bei Rückkehr des Kindes in den elterlichen Haushalt weiterhin eine nachhaltige Kindeswohlgefahr besteht (BVerfG Beschluss vom 20.01.2016 - 1 BvR 2747/15). Im konkreten Fall hatte die Sachverständige die Aufrechterhaltung des Sorgerechtsentzugs als „störungsabmildernden Faktor" der kindlichen Entwicklung dargestellt. Die beiden Kinder seien nicht mehr sicher in der Lage zu unterscheiden zwischen medialer Wirklichkeit und sollten deshalb zu handwerklichen Tätigkeiten sowie Spiel und Arbeit in freier Natur angehalten werden. Das Gericht hielt dies in keiner Weise für ausreichend, würde doch hier das Idealbild einer elterlichen Erziehungsleistung zu Grunde gelegt werden. Die Einschätzung der Sachverständigen, die Mutter sei hierzu nicht in der Lage, lasse nicht erkennen aufgrund welcher Umstände und welcher fachlichen Qualifikation die Sachverständige zu ihrer psychologisch und psychotherapeutisch weitreichenden Charakterisierung der Mutter und der ihr zugeschriebenen Defizite gelangt sei. Explorationen der Mutter und ihres Lebensgefährten an zwei Tagen und ein weiterer Hausbesuch würden hier nicht ausreichen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine klare Fragestellung an die Sachverständige. Im vorliegenden Fall sei es keinesfalls ausreichend gewesen ein Gutachten „zur künftigen Regelung der elterlichen Sorge" zu erstellen ohne dass hier das Kriterium der nachhaltigen Kindeswohlgefahr als Untersuchungsmaßstab genannt wird oder der Sache nach umschrieben wird. Entscheidungen auf diesem Gebiet dürften daher mit zum schwierigsten Aufgabengebiet der Gerichte gehören, prägen Entscheidungen - ob richtig oder falsch - doch häufig die Entwicklung des Kindes für das weitere gesamte Leben und sollten deshalb ausreichend durch Gutachten, Stellungnahmen und eigene Überzeugungsbildung nachhaltig abgesichert und begründet werden. Dem fachlich versierten Anwalt fällt auch hier eine besondere Verantwortung zu. Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze Quelle: Der Neue Tag vom 21./22.05.2016; Rubrik: Recht im Alltag - Familienrecht
Entzug der elterlichen Sorge - letztes Mittel bei Gefährdung des Kindeswohls
Nach Presseveröffentlichungen über Kindesmisshandlungen werden in der Öffentlichkeit promt Fragen nach dem Versagen der Aufsicht über die Eltern durch Jugendämter und Gerichte laut. Tatsächlich ist der Staat im Rahmen seines Wächteramts verpflichtet und berechtigt Eingriffe in die Personen- und Vermögenssorge der Eltern vorzunehmen, wenn dies zum Schutz des Kindes erforderlich ist. Allerdings hat der Gesetzgeber hierfür hohe Hürden aufgebaut. Sind Kindeswohlbeeinträchtigungen zu besorgen stellt sich zunächst die Frage, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf nur einen Elternteil eine geeignete Gegenmaßnahme darstellt - § 1671 BGB - oder weitergehende gerichtliche Maßnahmen erforderlich sind, die über die Jugendämter bei Gericht zu beantragen sind. Bis zum Entzug der elterlichen Sorge ist es allerdings häufig ein weiter Weg. Nach § 1666 Abs. 3 BGB kann das Gericht anordnen, dass öffentliche Hilfen in Anspruch genommen werden, die Schulpflicht eingehalten wird oder auch einen Elternteil vorübergehend vom Umgang mit dem Kind fern zu halten, Kontaktverbote erlassen und Erklärungen für den Inhaber der elterlichen Sorge abzugeben, also z. B. die Einwilligung in eine medizinische Behandlung oder den Besuch einer bestimmten Schule. Erst wenn all diese Maßnahmen nicht mehr ausreichend erscheinen kommt die teilweise oder als letztes Mittel vollständige Entziehung der elterlichen Sorge in Betracht. Diese Maßnahmen sind, da sie als Grundrechtseingriffe gelten, auch nachdem sie getroffen sind, laufend darauf hin zu überprüfen, ob sie (noch) notwendig sind. Im Mittelpunkt steht hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. Das Bundesverfassungsgericht greift hier immer wieder mit wegweisenden Entscheidungen ein, insbesondere bei Fremdunterbringung des Kindes. Die Familiengerichte greifen hierbei, wozu sie auch verpflichtet sind, auf Stellungnahmen und Empfehlungen der Jugendämter oder Kinderpsychologen und Ärzten zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang aber erneut entschieden, dass die bloße Bezugnahme auf vage und spekulative Einschätzungen eines Sachverständigen zum psychischen Gesundheitszustands der Mutter hierfür nicht genügen und konkret darzulegen ist, dass bei Rückkehr des Kindes in den elterlichen Haushalt weiterhin eine nachhaltige Kindeswohlgefahr besteht (BVerfG Beschluss vom 20.01.2016 - 1 BvR 2747/15). Im konkreten Fall hatte die Sachverständige die Aufrechterhaltung des Sorgerechtsentzugs als „störungsabmildernden Faktor" der kindlichen Entwicklung dargestellt. Die beiden Kinder seien nicht mehr sicher in der Lage zu unterscheiden zwischen medialer Wirklichkeit und sollten deshalb zu handwerklichen Tätigkeiten sowie Spiel und Arbeit in freier Natur angehalten werden. Das Gericht hielt dies in keiner Weise für ausreichend, würde doch hier das Idealbild einer elterlichen Erziehungsleistung zu Grunde gelegt werden. Die Einschätzung der Sachverständigen, die Mutter sei hierzu nicht in der Lage, lasse nicht erkennen aufgrund welcher Umstände und welcher fachlichen Qualifikation die Sachverständige zu ihrer psychologisch und psychotherapeutisch weitreichenden Charakterisierung der Mutter und der ihr zugeschriebenen Defizite gelangt sei. Explorationen der Mutter und ihres Lebensgefährten an zwei Tagen und ein weiterer Hausbesuch würden hier nicht ausreichen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine klare Fragestellung an die Sachverständige. Im vorliegenden Fall sei es keinesfalls ausreichend gewesen ein Gutachten „zur künftigen Regelung der elterlichen Sorge" zu erstellen ohne dass hier das Kriterium der nachhaltigen Kindeswohlgefahr als Untersuchungsmaßstab genannt wird oder der Sache nach umschrieben wird. Entscheidungen auf diesem Gebiet dürften daher mit zum schwierigsten Aufgabengebiet der Gerichte gehören, prägen Entscheidungen - ob richtig oder falsch - doch häufig die Entwicklung des Kindes für das weitere gesamte Leben und sollten deshalb ausreichend durch Gutachten, Stellungnahmen und eigene Überzeugungsbildung nachhaltig abgesichert und begründet werden. Dem fachlich versierten Anwalt fällt auch hier eine besondere Verantwortung zu. Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze Quelle: Der Neue Tag vom 21./22.05.2016; Rubrik: Recht im Alltag - Familienrecht