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Patientenrechtegesetz - Erfolg oder Flop?
Praktische Erfahrungen nach 3,5 Jahren Praxis
Seit 26.02.2013 ist das „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten" in Kraft. Es soll Transparenz für Patienten (und Ärzte) herstellen, insbesondere die Patienten im Fall eines Behandlungsfehlers stärker unterstützen und die tatsächliche Durchsetzung der Rechte der Patienten verbessern.
Aus dem Justizministerium hieß es, dass sich jetzt erstmals Patient und Arzt auf Augenhöhe begegnen würden. Auch der Anwalt dürfte zunächst der Auffassung gewesen sein, dass die Patientenrechte hierzu gestärkt wären.
Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass die von dieser anfänglichen Euphorie und durch die Gesetzesbezeichnung geweckte Hoffnung trügerisch war:
Positiv zu verzeichnen ist, dass das Gesetz nicht mehr nur vom „Arzt" spricht, sondern vom „Behandler", also deutlich macht, dass auch andere Angehörige der Heilberufe unter das Gesetz fallen wie psychologische Psychotherapeuten, Hebammen, Physiotherapeuten, Masseure, medizinische Bademeister, Altenpfleger usw.
Wenn § 630 a Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Behandlung „nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden allgemeinen anerkannten fachlichen Standards" erfolgen muss, ist damit nur das Problem - naturgemäß - angesprochen aber nicht gelöst, weil das Gesetz selbst diesen Facharztstandard nicht definiert und auch nicht definieren kann. Es bleibt also alles beim alten, d. h. Facharztstandard ist „das zum Zeitpunkt der Behandlung in der Praxis bewährte, nach „naturwissenschaftlicher Erkenntnis gesicherte und von einem durchschnittlich befähigten Facharzt zu verlangende Maß an Können und Wissen".
Es bleibt, da weder Richter noch Anwalt dies beurteilen können, weiterhin bei der Erholung eines Sachverständigengutachtens durch einen medizinischen Gutachter, der aus den Reihen der Ärzte rekrutiert wird und dessen Entscheidung mehr oder weniger über den Erfolg eines Arzthaftungsprozesses entscheidet. Umso wichtiger ist es für den Patientenanwalt durch Ausschöpfen der prozessualen Fragerechte argumentative Schwächen in der oft arztfreundlichen Begutachtung aufzudecken. Häufig bleibt es bei der „faktischen Entscheidungskompetenz des Sachverständigen". Auch auf die Berufung „Richtlinien" oder „Empfehlungen" helfen oft nicht, weil sie nur einen „Entscheidungskorridor" eröffnen innerhalb dessen der Sachverständige prüfen muss, ob diese Leitlinie den Standard (noch) zutreffend wiedergab, ob der Arzt die Leitlinie befolgt hat, oder ob er von dieser Leitlinie abgewichen ist und er hierfür sachliche Gründe ins Feld führen konnte.
Auch bei der Beweislastverteilung hat das Gesetz keine Erleichterungen für den Patienten gebracht, es hat die von der Literatur generell oder auch für Fälle einfacher Behandlungsfehler aufgestellte Forderung nach weiteren Beweiserleichterungen ausdrücklich nicht aufgegriffen (so die Gesetzesmaterialien). In der Regel muss der Patient von groben Behandlungsfehlern abgesehen, also weiterhin den Behandlungsfehler und seine Kausalität vollumfänglich beweisen.
Positiv klingt zunächst auch, dass durch den Arzt dem Patienten Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler mitgeteilt werden sollen, wenn solche vorliegen. Im nächsten Satz wird dies schon wieder dadurch entwertet, dass dies nur auf Nachfrage mitgeteilt werden muss oder wenn infolge des Behandlungsfehlers eine drohende Gesundheitsgefährdung besteht. Unterfertigtem ist in der Praxis ein solcher „Selbstbezichtigungsfall" noch nicht untergekommen.
Schließlich hat das Gesetz auch das Prozessrecht nicht mit im Blick gehabt, sodass weiterhin, besonders in gravierenden, die Lebensführung nachhaltig beeinträchtigenden Fällen die gerichtliche Umsetzung von Ansprüchen mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Gerade bei kostenintensiven Schadensfolgen wie Geburtsschäden etc. wird der Geschädigte regelrecht zermürbt und werden die Verfahren durch die Haftpflichtversicherungen durch alle Instanzen getrieben, manchmal unter Einsatz eines obstruktiven Verteidigungsverhaltens.
Nach Jahren der Einführung muss konstatiert werden, dass das Patientenrechtegesetz seine Ziele, größerer Transparenz und gestärkter Rechtspositionen auf Patientenseite zu schaffen, verfehlt hat.
Fazit: „Viel Lärm um nichts".
Das Gesetz reiht sich in die immer mehr um sich greifende Gesetzesflut nahtlos ein. Es bleibt also weiterhin für den Patienten nur der „Marsch durch die Institutionen" mit kompetenter fachlicher Anwaltsbegleitung.
Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze
Quelle: Der Neue Tag vom 01./02./03.10.2016; Rubrik: Recht im Alltag - Arzt- und Patientenrecht