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Pflichtteilsergänzungsanspruch als eiserne Ration
Doch wie hoch ist er?
Abkömmlinge und Ehegatten, die durch Testament vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen sind, haben gegenüber dem Erben einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Dies gilt auch, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat. In diesem Fall besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ebenfalls in der Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Derartige Schenkungen sollen sich auf das Pflichtteilsrecht nicht auswirken, wenn sie zeitnah vor dem Todesfall erfolgen.
Für die Berechnung des Pflichtteils ist der Wert des geschenkten Gegenstands maßgeblich. Blieb früher die Schenkung unberücksichtigt, wenn seit der Schenkung mehr als 10 Jahre vergangen waren, hat das Gesetz seit 01.01.2010 eine gleitende Ausschlussfrist eingeführt:
Der Pflichtteilsanspruch verringert sich pro Jahr um 1/10.
Verschenkt der Erblasser ein Wohnhaus im Wert von 200.000,00 € z. B. im Jahr 2010 und verstirbt 2016 wird der Pflichtteil aus einem Wert von noch 50.000,00 € errechnet.
In der Annahme damit Pflichtteilsergänzungsansprüche gering zu halten wird häufig eine Immobilie bereits zu Lebzeiten unentgeltlich überlassen, wobei das Wohnrecht oder Nießbrauch daran vorbehalten bleibt. Hier kann es beim Erbfall zu einer bösen Überraschung kommen, weil in einem solchen Fall die „Abschmelzung" überhaupt noch nicht begonnen hat.
Der BGH hat in einer seit langem erwarteten Entscheidung (Urteil vom 29.06.2016 - IV ZR 474/15) eine Entscheidung getroffen, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet:
Die Jahresfrist soll dann laufen, wenn mit Vollzug des Übergabevertrags der Übergeber nicht mehr als „Herr im Haus" anzusehen ist. Bei der Übergabe eines 3-Familien-Hauses läuft die 10-Jahres-Frist, wenn sich der Erblasser das Wohnrecht nur an einer Wohnung vorbehalten hat. Hat sich der Erblasser den Nießbrauch am ganzen Haus vorbehalten läuft die 10-Jahres-Frist noch nicht, weil der Beschenkte nur eine „leere Eigentumshülse" erhalten hat.
Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob die 10-Jahres-Frist beginnt, wenn sich der Überlasser nur ein Wohnrecht und keinen Nießbrauch vorbehalten hat.
Im übrigen komme es, so der BGH, auf alle Umstände des Einzelfalles an, ob die Frist mit der Übergabe zu laufen beginnt oder nicht.
Bei Lebzeiten ist deshalb Beratung durch Anwalt und Notar zur bestmöglichen Vertragsgestaltung angesagt.
Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze
Quelle: Der Neue Tag vom 18./19.02.2017; Rubrik: Recht im Alltag