Aktuelle Pressemeldung

20.05.2010 00:00 Alter: 14 yrs
Von: Der Neue Tag

„Diese Antibabypille wirkt für immer"

Weidener Anwälte vertreten zwei Frauen, die angeblich nach Pilleneinnahme fast gestorben wären (von Simone Baumgärtner)


Weiden. Zwei Frauen verhüteten mit der Antibabypille der „neuesten Generation" und bezahlten dafür fast mit dem Leben. Das behaupten zumindest Felicitas Rohrer (25) und Kathrin Weigele (28) und strengen ein Gerichtsverfahren gegen den Vertreiber der Verhütungsmittel Yasmin und Yasminelle an: den Pharma-Riesen Bayer AG. Rechtsbeistand dafür suchten sie sich in Weiden. „Noch versuchen wir, uns außergerichtlich zu einigen", erklärt der Weidener Jurist Martin Jensch von der Kanzlei Dr. Burkhard Schulze und Kollegen. Die Chancen dafür aber stünden wohl schlecht. Im Juni läuft die Frist ab. Kommt es danach zu einem Gerichtsverfahren gegen die Bayer AG, wäre das das erste gegen den Pharma-Riesen in Deutschland überhaupt. „In den USA sind bereits 1750 Schadensersatzklagen in dieser Sache anhängig. In der Schweiz hat der Konzern in einem Fall bereits gezahlt, die Zahlungen dann aber wieder gestoppt", weiß Jensch. Kein Wunder. Denn überall geht es um viel. In diesem Fall beispielsweise um Schmerzensgeld, um Verdienstausfall und um Zuzahlungen zu diversen Therapien. Kurzum: Um materielle und immaterielle Schäden, die das Präparat Jenschs Mandanten wegen des enthaltenen Wirkstoffs Drospirenon mutmaßlich zugefügt hat. Dieser Wirkstoff steigere im Vergleich zu Antibabypillen, die darauf verzichten, das Thrombose-Risiko erheblich. Der Beipackzettel aber enthalte keinen ausreichenden Hinweis auf das erhöhte Risikoprofil. 20 Minuten lang klinisch tot Was das für Folgen haben kann, schilderten die Regensburgerin Weigele und Rohrer (Baden-Württemberg) am 30. April vor etwa 4000 Menschen bei der Aktionärsversammlung der Bayer AG in Köln. Die Frauen konfrontieren auch die Vorstände mit ihrem Leid. „Das war sehr bewegend. Es herrschte absolute Stille, einige Aktionärinnen haben geweint", erinnert sich der Anwalt. Zum Beispiel als Felicitas Rohrer in den Saal sagte: „Ich bin im Juli 2009 fast an einer doppelten Lungenembolie gestorben. (...) Ich war 20 Minuten lang klinisch tot. (...) Ursache dafür war (...) die Antibabypille Yasminelle. Von Ihrer Firma." Dabei habe das darin enthaltene Drospirenon laut Begleitheft „ein paar hilfreiche Zusatznutzungen auf Lager": Das Hautbild verbessere sich, das Gewicht bleibe stabil. „Mit Yasminelle kannst du zu jeder Zeit im Zyklus singen: I feel good...", heiße es weiter. Statt zu singen, fiel Felicitas Rohrer nach neunmonatiger Einnahme am 11. Juli 2009 in Ohnmacht. „Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen eine gefährlichere Pille mit Life-Style-Faktoren auf den Markt wirft, nur um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen", meint Jensch. Denn wenig später hörte das Herz der 25-jährigen auf zu schlagen. Die Lungenflügel kollabierten, die Ärzte öffneten ihren Brustkorb, pumpten ihr Herz und entfernte zwei Nierenschalen voller Blutgerinnsel aus der Lunge. Heute leidet die Lunge Frau, die gerade ihr Tierarztstudium abgeschlossen hatte und diesen Beruf nun nie wird ausüben können, an massiven Folgeschäden. Ihr Kreislauf schwächelt, sie hat ständig Atemnot und Schmerzen. Mindestens eine der Frauen ist lebenslang auf Blutverdünner angewiesen, der eine Schwangerschaft unmöglich macht. „Damit wirkt diese Antibabypille quasi für immer", sagt Jensch. Mit den nahezu gleichen Folgen kämpft auch Jura-Studentin Kathrin Weigele aus Regensburg. „Auch mein Leben haben Sie zerstört", erklärte sie in Köln dem Vorstand. Bayer: nicht verantwortlich Er reagierte auch. „Auf höfliche Art", erklärte Jensch, „hat die Bayer AG die persönlichen Schicksale bedauert, aber betont, dass diese in keinem Zusammenhang mit ihrem Präparat stünden." Viel Hoffnung auf außergerichtliche Einigung habe er deshalb nicht. Vielmehr sei zu befürchten, der Konzern behaupte, die Frauen gehörten einer Thrombose-Risikogruppe an." Beide aber waren Nichtraucherinnen, schlank und haben Sport getrieben." Genetisch vorbelastet seien sie auch nicht. Die Folge: „Wir werden die Bayer AG baldmöglichst nach dem Arzneimittelgesetz in Haftung bringen." Hier stünde ein erheblicher Schadensersatzbetrag im sechsstelligen Bereich pro Mandantin im Raum. „Dabei ist aber klar", sagt Jensch: „Kein Geld der Welt kann diese Schicksale aufwerten." Quelle: Der Neue Tag 2010, Rubrik: Stadt Weiden