Aktuelle Pressemeldung

19.11.2009 00:00 Alter: 14 yrs
Von: Dr. Burkhard Schulze

Ärztepfusch oder Schicksal?

Wann haftet der Arzt für welche Schäden?


Prozess gegen Ärzte und Krankenhäuser wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Behandlungsfehler nehmen ständig an Bedeutung zu. Es gibt Statistiken die davon ausgehen, dass jährlich 17.000 Patienten pro Jahr durch Ärztefehler sterben. Ebenfalls statistisch begeht jeder 3. Arzt einmal im Jahr einen Fehler, jeder 5. macht einen solchen pro Monat. Das Aktionbündnis Patientensicherheit schätzt die Zahl von ärztlichen Behandlungsfehlern auf jährlich 130.000, der Deutsche Patientenschutzbund sogar von 680.000. Die Zahl der Haftpflichtprozesse ist sprunghaft angestiegen. Mittlerweile haben die Krankenkassen die wirtschaftliche Bedeutung für Regressmöglichkeiten erkannt, wenn ihnen aus derartigen Fehlern weitere Behandlungskosten entstehen, und haben einen medizinischen Dienst eingerichtet, der aus Eigeninteresse dem Verdacht des Vorliegens von Behandlungsfehlern nachgeht. Nicht übersehen werden darf auch, dass Ärzte und Kliniken unter erheblichem Leistungsdruck stehen, Kosten und damit Personal einsparen müssen, was im Einzelfall zur Überlastung und Fehlern führen kann. Immer noch ist festzustellen, dass auf Versicherungs- und Ärzteseite "gemauert" wird. Nur vereinzelt gibt es Bestrebungen sich unvoreingenommen zu eigenen Fehlleistungen zu bekennen und so den Patienten zu seinem Recht zu verhelfen. Arzthaftungsprozesse dauern durchschnittlich 2 bis 3 Jahre und kosten Geld. Um auf Augenhöhe Ansprüche durchzusetzen, erfordert in erster Linie Kenntnis der Unterlagen, beginnend mit der Dokumentation über das Aufklärungsgespräch, Operationsbericht und der weiteren Behandlungsunterlagen. Der Patient hat einen Rechtsanspruch auf seine Unterlagen einschließlich der Röntgenbilder und MRT´s. Sie sollten alsbald mit anwaltschaftlicher Hilfe angefordert werden, sobald sich ein entsprechender Verdacht ergibt. Grundsätzlich empfehlenswert ist es, ohne dass dies schon anfängliches Misstrauen ausdrücken muss, den Verlauf einer medizinischen Behandlung in einer Art Gedächtnisprotokoll festzuhalten, und alle möglicherweise wichtig werdenden Äußerungen und Ereignisse tagebuchmäßig festzuhalten. Die Praxis erweist immer wieder, dass solche Notizen in einem sich Jahre hinziehenden Rechtsstreit eine auch durchaus unerwartete Relevanz bekommen können. Das Aufklärungsgespräch sollte im Zweifel nicht nur aus Beweisgründen, sondern um auch im anschließenden Gespräch eine überlegte Entscheidung treffen zu können.
Kommt es beim medizinischen Eingriff selbst zu einem Folgeschaden, muss dies nicht ein Behandlungsfehler sein, sondern kann sich als die Verwirklichung eines dem Eingriff immanenten Risikos darstellen, wobei es sich typischerweise um Beschädigung umliegender Nervenbahnen oder auch auftretende Infektionen handeln kann, die nicht vermeidbar sind. Die Rechtsprechung hat zur Abgrenzung den Begriff des "voll beherrschbaren Risikos" entwickelt. In einem solchen Fall muss der Arzt beweisen, dass ihm gleichwohl kein Verschulden trifft. Vermeidbar sind in jedem Fall der Einsatz eines fehlerhaften Tubus, eines nicht funktionsfähigen Narkosegeräts, eine verunreinigten Desinfektionsflüssigkeit, eine schädigende Lagerung oder Umbettung des Patienten, oder auch der Einsatz eines nicht kippsicheren Duschstuhls, sowie Verabreichung einer überhöhten Strahlendosis. Das gilt auch für den Sturz eines Heimbewohners, allerdings hat hier der Bundesgerichtshof eine Zumutbarkeitsgrenze gezogen, unter Berücksichtigung der Würde des Bewohners einerseits, und der finanziellen Grenzen für die Personalkosten andererseits. In einer günstigen Situation ist derjenige der für die Durchführung der Ansprüche eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat. Prozesskostenhilfe für die "arme Partei" ist zwar möglich, befreit aber nur von den Kosten für den eigenen Anwalt, sowie Gerichts- und Sachverständigenkosten, nicht aber im Falle des Unterliegens von der Erstattungspflicht der gegnerischen Anwaltskosten.
Kostenlos ist die Anrufung der ärztlichen Schlichtungsstelle, die bei den Ärztekammern eingerichtet sind. Aber auch hier hat in der Regel nur ein sachlich fundierter Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens Aussicht auf Erfolg. In jedem Falle ist es angesichts des starken Gegenübers unabdingbar sich von Anfang an kompetenter anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Nur auf diese Weise kann gemeinsam abgewogen werden, ob eine rechtliche Auseinandersetzung bei Verdacht von Behandlungsfehlern sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar ist. RA Dr. Burkhard Schulze   Artikel vom 19.11.2010