Aktuelle Pressemeldung

12.05.2012 15:32 Alter: 12 yrs
Von: Burkhard Schulze

Betreuungsunterhalt der Mutter nach dem 3. Lebensjahr des Kindes?

Bundesgerichtshof verlangt grundsätzlich frühzeitige Erwerbstätigkeit der Mutter


Nach § 1570 BGB kann der geschiedene Ehegatte von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mind. 3 Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Danach nur soweit und solange dies noch der Billigkeit entspricht. Mit dieser 2008 eingeführten Vorschrift soll die Mutter grundsätzlich nach Vollendung des 3. Lebensjahres ihres Kindes wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Keine Vorschrift des neuen Unterhaltsrechts wird so heftig diskutiert und auch kritisiert, wie diese Vorschrift zum Betreuungsunterhalt. In seiner Entscheidung vom 15.06.11 - XII ZR 94/09 - hat der BGH sehr hohe Hürden für darüber hinausgehende Unterhaltsansprüche gestellt. Es müsse einzelfallbezogen dargestellt und unter Beweis gestellt werden, warum das Kind nach dem 3. Lebensjahr noch der persönlichen Betreuung durch die Mutter bedarf. Allgemeine Darlegungen zur Betreuungsbedürftigkeit des Kindes genügen danach nicht. Kritiker dieser Entscheidung behaupten, dass der BGH mit dieser Entscheidung die im Gesetz vorgesehene Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen faktisch abgeschafft hätte. Kaum ein Rechtsgebiet unterliegt so sehr den Wandlungen in der gesellschaftlichen Anschauung, wie die Frage nach dem Stellenwert der Kinderbetreuung. Im Augenblick kulminiert die politische Auseinandersetzung in der Frage nach der Berechtigung eines Betreuungsgeldes (Herdprämie). Jedenfalls ist nach der derzeitigen Gesetzeslage grundsätzlich von einer Erwerbstätigkeit der Mutter nach den ersten 3 Lebensjahren des Kindes auszugehen. Im Zweifelsfall muss ein kinderpsychologisches Gutachten erholt werden. Kritiker des Gesetzes und der rigiden Rechtsprechung heben hervor, dass zu wenig berücksichtigt wird, dass ein Kind unter der Trennung der Eltern besonders leidet, und daher der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedarf. Langjährige Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Höhepunkt des kindlichen Leidens nicht während der akuten Krise der Trennung seinen Höhepunkt erreicht, sondern die seelischen Auswirkungen von Trennung und Scheidung für das Kind als kumulative Erfahrungen im Lauf der Zeit zunehmen. Ebenso, so die Kritiker weiter, würde der BGH außer Acht lassen, dass die in Deutschland bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung regelmäßig nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen würde, welche Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilie benötigen würden. Die Betreuungsgruppen seien zu groß, und das pädagogische Personal häufig nicht ausreichend qualifiziert. Der Ruf nach erneutem Tätigwerden des Gesetzgebers wird wieder laut, weil die derzeitige Rechtsprechung das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtige. Einerseits werde die zunehmende Kinderlosigkeit beklagt, andererseits werde aber den Müttern durch das Gesetz keine ausreichende Hilfestellung bei der Erziehung der Kinder gewährt. So wird sich wohl in absehbarer Zeit nichts daran ändern, dass, wie vom Gesetzgeber und der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewünscht, die Frau sobald wie möglich in den Beruf zurückkehrt, und sie hohe prozessuale Hürden überwinden muss, um über das 3. Lebensjahr ihres Kindes hinaus Betreuungsunterhalt zu erhalten. Der Familienrichter steht in jedem Einzelfall vor der nicht einfachen Aufgabe, das Kindeswohl einerseits, die Interessen der Mutter andererseits, aber auch den Wunsch des Vaters von den Fesseln des Unterhaltsrechts frühzeitig befreit zu werden, richtig einzuordnen und zu bewerten. RA Dr. Schulze Quelle: Der Neue Tag vom 12.05.2012, Rubrik: Recht im Alltag